Der Lockruf eines Rohstoff-Riesen

Der Iran will zum größten Produzenten von Petrochemie am Persischen Golf aufsteigen. Die deutschen Konzerne BASF und Linde gehören zu den Unternehmen, die daran mitverdienen wollen.

Mahya Karbalaii, Bert FröndhoffMahya&Bert

Teheran, Düsseldorf

 

Einst war es ein Fischerdörfchen, idyllisch gelegen zwischen dem Wasser des Persischen Golfs und dem kahlen Gebirge. Heute ist Assaluyeh eine der Zentren für die industrielle Zukunft des Iran. Riesige Anlagen zur petrochemischen Verarbeitung von Öl und Gas sind hier in den vergangenen Jahren entstanden. Hell erleuchten die Großanlagen des Parsisan Economic Energy Zone die Landschaft im Süden des Landes.

Das Projekt ist schon jetzt eine Demonstration dessen, was Iran nach Beendigung der Sanktionen und mit der Öffnung zur westlichen Wirtschaft erreichen will: Das Land nutzt seine großen Rohstoffvorräte, um in der Basischemie zum größten Anbieter am Persischen Golf zu werden – und das mit tatkräftiger Unterstützung deutscher und europäischer Unternehmen.

Verantwortlich dafür ist die National Petrochemical Company of Iran (NPC), eine staatliche Gesellschaft, die sleber nicht investieren darf, aber Projekte steuert und Investoren gewinnt. NPC-Chefin Marzieh Shahdaee gibt die Ziele vor: „Wir werden unsere Petrochemikapazitäten in den nächsten zehn Jahren von 60 Millionen auf 160 Millionen Tonnen pro Jahr ausbauen“, sagt sie im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Entlang der Küste am Persischen Golf plant das Land in mehreren Projekten den Auf- und Ausbau der Petrochemie, so auch in Mahshahr nahe der Grenze zum Irak. Die nötigen Investitionen für den Kapazitätsausbau beziffert  Shahdaee auf 55 Milliarden Dollar. Das kann das Land nicht selbst aufbringen – und sucht deshalb Investoren vor allem aus Europa.

Interessenten gibt es genug, schließlich können die westlichen Chemieunternehmen in dem Land auf preiswerte Rohstoffe zugreifen. Iran hat die weltweit zweitgrößten Vorkommen an Gas, das zu chemischen Grundprodukten weiterverarbeitet werden kann. Feste Abschlüsse hat die NPC bislang noch nicht gemacht. „Wir führen weiterhin Verhandlungen auch mit deutschen Firmen“, sagt Shahdaee. Bis zu zwölf Monate könnten diese Gespräche noch dauern.

Namen will die NPC-Chefin nicht nennen, sie hat den möglichen Partner Verschwiegenheit zugesichert. In Branchenkreisen gilt es als ausgemacht, dass sich die Ludwigshafener BASF AG am Ausbau der Petrochemie in Iran einen größeren Anteil sichern will. Den Informationen zufolge prüft der Konzern eine Investition in Höhe von vier Milliarden Dollar. In einem Joint Venture mit einem iranischen Unternehmen wollen die Deutschen neue Petrochemieanlagen nahe Assaluyeh errichten.

BASF bestätigt, am 12. April 2016 eine Absichtserklärung mit der National Iranian Oil Company über eine zukünftige Kooperation im Iran unterzeichnet zu haben. Details wollte der Konzern nicht nennen. „Potenzielle künftige Investitionen kommentieren wir nicht“, heißt es. BASF hat tiefe Beziehungen im Iran, der Konzern ist seit 1959 ununterbrochen in dem Land vertreten. Neben einem Vertriebsbüro in Teheran unterhält BASF ein Polyurethan-Systemhaus zur Kunststoffherstellung nordwestlich der Hauptstadt, dessen Betrieb aber derzeit stark eingeschränkt ist.

BASF ist nicht der einzige deutschen Konzern, mit dem die Iraner verhandeln. Nach Angaben aus Branchenkreisen ist auch der Münchener Gasehersteller Linde an einem milliardenschweren Investment in der iranischen Petrochemie interessiert. Linde trete dabei gemeinsamen mit dem japanischen Mitsui-Konzern auf, heiß es.  Der französische Ölkonzern Total hat bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet.

An den Megaprojekten in Iran sind nicht nur Chemiefirmen beteiligt. So hat sich etwa die Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ADKL einen Großauftrag von einem der größten Petrochemiekonzerne des Landes gesichert. Sie soll die Masjed Soleyman Petrochemical Industries Co. Beim Bau eines neuen Petrochemie-Komplexes beraten und unterstützen. Das Gesamtprojekt hat ein Volumen von  zehn Milliarden Euro auf zehn Jahre verteilt. Auch hier werden deutschen Investoren gesucht.

Die Europäer werden nicht nur mit der Aussicht auf billige Rohstoffe und hochmoderne Anlagen ins Land gelockt. „Wir bieten für Investitionen in Sonderwirtschaftszonen wie bei Assaluyeh Steuerfreiheit“, erläutert NPC-Chefin Shahdaee. Der Iran setzt auf die Nähe zu den asiatischen Märkte, in die etwa Massenkunststoffe aus den Anlagen am Persischen Golf exportiert werden können.